05.10.2009 Bürgermeister gefesselt am Schiffsmast
Kerwe: Beim Umzug in Fahrenbach kennt die Kreativität kaum Grenzen – Piraten, Drachen und Blumenkinder unterwegs FAHRENBACH. An einem imposanten Stahlgerüst schaukelt in luftiger Höhe eine giftgrüne Gondel über einem dem Birkenauer Tannenbuckel nachempfundenen Erdhaufen. Die ganze Szenerie rollt auf einem riesigen Tieflader durch Fahrenbach. „Willschd de ned doisch Baigene fahrn, fahr doch mit de Saukopfbahn.“ Derart kreative Lösungsvorschläge für die kleinen und großen Probleme in Nah und Fern gab es beim Kerweumzug in Fahrenbach am Sonntag zu bestaunen. „Er sucht ihn“ oder „Bauer sucht Frau“ – beim Ball der einsamen Herzen konnte jedes Töpfchen sein Deckelchen finden. Wer dagegen schon lange fündig geworden war, aber mal wieder etwas Abwechslung brauchte, für den bot sich die „Abwrackmaschin – aus alt mach neu“ an. Deren Prinzip zeigte sich so einfach wie erstaunlich: Vorne kamen die abzuwrackenden Ehefrauen hinein, dann erklang ein Alarmton, daraufhin wurde der Riesenzeiger an der Kabinenwand umgestellt und – hast Du nicht gesehen – kamen hinten überaus vorzeigbare Nachfolgemodelle heraus. Gleich im Anschluss ging es in Fahrenbach über den ersten mobilen Zebrastreifen. Aus zwei menschlichen Zebrastreifen mit Kistenkopf plus je noch einer weißen Pappkiste wurde im Zuge einer pilgermäßigen Niederwerfung ein wahrlich märtyrermäßiger Potpourri-Zebrastreifen, der auch gern mal von einem der zahlreichen Zuschauer am Wegesrand getestet wurde. Wenn ein Dorf schon Fahrenbach heißt, dann muss auch der Bierstand fahren. Und im Odenwald darf dann natürlich der Äbbelwoi nicht fehlen. Mit Kostproben des Original Odenwälder Lieblingsgetränks wurde dabei nicht gespart. Genau genommen steckte dahinter auch eine Antwort auf den Skandal der niedrigen Milchpreise, der die Existenzen vieler Bauern bedroht: Die Fahrenbacher Bauern sind eben schlau und „setzen auf Äbbelwoianbau“. Trotz aller Sorgen, schlechte Stimmung wollte nicht einmal auf dem Apfelweinwagen mit seinem demonstrativen Bauernsarg aufkommen. Wie auch, wenn gleich darauf eine Schlager trällernde Karaokebühne folgte, von der aus kleine Blumenkinder Sonnenblumen verteilten. Friede, Freude, Pferdeäpfel – die Nachteile der schönen historischen Pferdekutsche bekamen die Mitwirkenden der „Surfschule Fischteich“ vom Angelsportclub Fahrenbach zu spüren. Denn tief lagen die Rollen des natürlich fahrbaren Surfbretts. Dabei hatten die Teichsurfer sonst an alles gedacht: In Form zweier Riesenturbinen war sogar für den eigenen Windantrieb gesorgt, wodurch das Brett gut an Fahrt gewann und der Windsurfer sogar durch eine gute Kurvenhaltung glänzen konnte. Ebenfalls auf einem Rollbrett kam der Schwanz eines ansonsten achtfüßigen Lindwurms daher, dem (Haus-)Drachen des „Fahmesche Nibelungenvolks“. Auch sonst waren zahlreiche märchenhafte Figuren beim Kerweumzug am Start: Neben einem ganzen Schlumpfdorf samt Pilzhäuschen waren auch „Wickie und die starken Fahrenbacher“ in einem kleinen und einem großen Wikingertraktorschiff am Start. Selbst Barbie war mit von der Partie. Doch die Fahrenbacher Versionen der langbeinigen Plastikpuppe hätten etwa bei dem „Stangentraining“ der „Après Ski Schule“ kein gutes Bild gemacht: Denn anlässlich des 50. Geburtstages der wasserstoffblonden Puppe warteten die Fahrenbacher mit interessanten, pädagogisch wertvollen Alternativbarbies auf. Darunter eine Harz-IV-Barbie mit Kinderwagen, eine Abwrackbarbie mit Rollator sowie die „Rimbescher Barbie“ im Sackgewand. Kerweparrer Martin Arnold und Mundschenk Thorsten Neidig gönnten sich VIP-Sport mit einer Runde Golf. Und zwar in der trinksicheren Variante, bei dem das tragbare Doppelloch mit Fähnchen vor dem anrollenden Golfball platziert wird. Allerdings hat auch diese Variante ein Handicap in Sachen Treffsicherheit, denn sie setzt wenigstens die Nüchternheit des Lochverwalters voraus. Nicht allen Prominenten erging es beim Kerwezug so gut. So hatten die Somalia-Piraten, die neuerdings auf der Weschnitz gesichtet wurden, das Fürther Oberhaupt „gekidnappt“. Tapfer hielt der Fürther Bürgermeister Volker Oehlenschläger, an den Mast eines mächtigen Segelschiffs gefesselt, den Strapazen des Fahrenbacher Humors stand. Richtig an den Kragen ging es hingegen dem Fahrenbacher Ungeziefer unter der mobilen Mückenklatsche. Zwar hatten die Insektenbekämpfer für die überdimensionale Fliege extra ein Stück Misthaufen in der Schubkarre als Reiseproviant dabei. Und dennoch fuhr nachher erbarmungslos die Monsterfliegenklatsche auf ein menschliches Insekt herab, um es am Straßenboden zu zerquetschen. Nicht viel besser ging es der Kerwesau: Die war nämlich „gribbisch“. Zur Sicherheit wurden darum Gutselimpfungen gratis verteilt. Melissa Holstein echo-online.de 5.10.2009